Die "Burgherrin" auf der mittelalterlichen Burg Neustadt-Glewe

Burg Neustadt-Glewe - die älteste noch erhaltene Wehrburg Mecklenburgs.
23. Juni 2020

Britta Kley - Gästeführerin, Leiterin Museum, Kunstgalerie und Touristinformation

Foto: Burg Neustadt-GleweBritta Kley ist ein waschechtes Neustädter Kind, geboren und aufgewachsen im „Tor zur Lewitz“, wie sich der 7.000-Einwohner Ort am Südrand des Wiesenlandes auch nennt. Weg wollte sie nie, bis heute ist sie ihrer Heimat treu geblieben, beschäftigt sich leidenschaftlich gerne mit Historie. Ihre Eltern haben ihr den engen Draht zur Stadtgeschichte quasi in die Wiege gelegt. Eine besondere Liebe verbindet sie mit der Neustädter Burg: Durch alle Höhen und Tiefen begleitet sie das historische Bauwerk seit seiner grundlegenden Sanierung zwischen Ende der 1990er Jahre und 2006 bis heute, kennt archäologische Ausgrabungsstücke und das mittelalterliche Leben aus dem Effeff, gibt ihr Wissen bei Führungen weiter, organisiert Veranstaltungen und ist nebenbei noch Leiterin der touristischen Stadtinformation.

Foto: Lewitz e.V.Schöner und konsequenter kann es gar nicht sein: Man bekommt die Begeisterung für Vergangenes vererbt, arbeitet lange Jahre im Landesamt für Bodendenkmalpflege und landet schlussendlich in der ältesten noch erhaltenen Wehrburg Mecklenburgs, die auch noch zu den archäologisch am besten erforschten Burgen Deutschlands zählt. Mit leuchtenden Augen, ohne Punkt und Komma erzählt Britta Kley über „ihre Burg“ und anstehende Projekte, geht voll auf in ihrem Tun, das privates und berufliches Interesse eint wie die berühmte Faust aufs Auge. Auch Stolpersteine blieben und bleiben nicht aus, dennoch ist sie in ihrem Element, wenn sie zusammen mit ihren Gästen in eine andere, Jahrhunderte alte Welt eintaucht.

Foto: Lewitz e.V.Um 1300 errichteten die Grafen von Schwerin die Burg, um die Süd- und Südostgrenze ihres Herrschaftsgebietes zu sichern. Nie war sie eine Residenzburg, sondern wurde für politische oder gesellschaftliche Anlässe und als Jagdschloss genutzt. Viele Wildknochen von Hasen, Bären, Füchsen, Hirschen und Wildschweinen, die bei Ausgrabungen zutage kamen, zeigen, dass die Schweriner Grafen und Mecklenburger Herzöge von hier aus zu ihren Streifzügen in die wildreiche Lewitz gestartet sein müssen. Weitere Knochenfunde erzählen sogar, dass Rinderfleisch küchenfertig auf die Burg geliefert wurde, während Schweine vor Ort geschlachtet und zubereitet wurden.

Unterhaltsame Führungen: von Lust & Liebe, Rittermythen und dunklen Verliesen

Foto: Ralf Ottmann/lewitzfotograf.deWer mit Britta Kley durch die Burg flaniert, erhält einen ruhigen, wissenschaftlich fundierten und doch unterhaltsamen Einblick in das mittelalterliche Leben – ohne großes Bohai, Musik und Trara, dafür mit viel Herzblut und Zeit für Fragen. Gleich zu Beginn einer Führung stößt sie ihre Gäste auf Reste einer mittelalterlichen Heißluftheizung. Und schon ist man mittendrin im Leben der gehobenen Gesellschaft von damals. In einem Speisesaal mit wollener Tapete wurde zu Tisch gebeten, das Vorzimmer der Herzogin war mit Goldleder verkleidet, der Herzog zog sich gerne in sein Gemach mit Wänden voller hochglänzendem Seidengewebe zurück. Kein Wunder, dass Brautpaare, die sich heute auf der Burg das Ja-Wort geben, die Räumlichkeiten als Kulisse für Hochzeitsfotos nutzen. Im Turmzimmer mit Aussicht auf die Stadt, in dem die feinen Damen und Herren schon früher ihren Tee einnahmen, stoßen Hochzeitsleute mit einem Sekt auf ihre Trauung an.

Foto: Ralf Ottmann/lewitzfotograf.deGegen Ende einer jeden Tour dürfen Gäste noch einen Blick in das etwa acht Meter tief liegende Verlies werfen, bevor es in das 2014 fertiggestellte Burgmuseum geht. Hier demonstriert Britta Kley an verschiedenen Stationen, wie im Mittelalter gelebt und geliebt wurde. Besonders aufmerksam spitzen Besucher die Ohren, wenn es um das Thema Liebe und Moral geht. Man stelle sich vor, dass in besseren Kreisen sitzend zwischen vielen Kissen, also Bettgeschichten eh schwierig waren. Offiziell war Sexualität damals streng reglementiert und galt nur der Fortpflanzung. Laut Verbotskatalog war Sex nur in der Ehe geduldet. Ein Kirchenkalender rief ab Mitte des 13. Jahrhunderts noch strengere Gebote aus: Nur an 200 Tagen im Jahr durften sich in den Laken wälzen, von Donnerstag bis Sonntag, an Festtagen und drei Tage und Nächte nach der Hochzeit nicht. „Aber: alles graue Theorie, kontrollieren konnte es keiner“ fügt sie schmunzelnd hinzu.

Foto: Ralf Ottmann/lewitzfotograf.deBei einem heiteren Beruferaten entstehen Aha-Momente, wenn klar wird, woher so mancher Nachname herrührt: Ein Gürtler stellte Gürtel her, dazu kam der Schnallenmacher, Nadeln machte der Nadler/Nadelmacher, der Riemenschneider schnitt Riemen aus Leder, der Wagner stellte Räder und Wagen aus Holz her. Spätestens wenn die Gäste selbst in eine Ritterrüstung schlüpfen dürfen, räumt Britta Kley mit einem Mythos auf: Zwar war die Montur bis zu 25 kg schwer und Bewegungen fielen schwerer, aber lange nicht so, dass Ritter per Kran auf ihre Pferde gehievt wurden: So ist es noch immer in vielen Köpfen verankert.

Foto: Lewitz e.V.An einer langen Tafel mit Holzbänken, zugleich Herzstück des Museums, erzählt sie, wie Kinder knöcherne Kegel für Kegelspiele nutzten oder Damen sich mit Kämmen aus Rinderfußknochen durch die Haare fuhren. Eine Reihe von Rezepten, die in Form kleiner Tafeln auf dem Tisch präsentiert werden, adaptieren typische Gerichte aus der damaligen in die heutige Zeit und laden ein, Armer Ritter mit Rosenwasser oder gebackene Auster zu Hause selbst auszuprobieren. Mit Kindern geht sie gerne auf Schatzsuche oder übt Hufeisenweitwurf und Lanzenlauf.

Foto: Lewitz e.V.Ebenso initiierte sie inzwischen etablierte Veranstaltungen: Jazz, Grafikausstellungen, Schülerwerkstätten in der Galerie, Gitarrenkonzerte mit der Musikschule, Aktionen zum Tag des offenen Denkmals und Internationalen Museumstag. Eine Weihnachtswerkstatt mit Vorschulkindern und Schülern der Klassen 1 bis 4 hat Tradition. Und das dritte „Oll-Fahrrad-Treffen“, bei dem sich Fans historischer Drahtesel im Burginnenhof einfinden, ist schon in Planung. Dennoch hat sie immer noch ein besonderes Auge auf die gefiederten Einwohner der Burg: Turmfalken, Dohlen und Schleiereule fühlen sich wohl in ihrem altehrwürdigen Zuhause.

Noch vieles vor: Viele weitere Pläne warten schon auf ihre Umsetzung

Als ob das alles noch nicht genug wäre: Fragt man Britta Kley nach weiteren Plänen, sprudelt es nur so aus ihr heraus: Vieles schwirrt ihr noch im Kopf herum, bis zu ihrem Ruhestand in etwa fünf Jahren möchte sie noch viele Dinge umsetzen, die ihr zum Teil schon längere Zeit im Kopf herumschwirren. Besonders am Herzen liegt ihr, das Gedenken an das ehemalige Konzentrationslager Neustadt-Glewe aufrecht zu erhalten. Als Außenlager des Frauen-KZ Ravensbrück sollte es während der NS-Zeit Arbeitskräfte für die ehemaligen Dornier-Werke in Wismar zur Verfügung stellen. Am Gelände des Neustädter Flughafens, der eher für das Musikfestival Airbeat One oder bei Fallschirmspringern und Segelfliegern bekannt ist, befindet sich versteckt seit 1995 ein Gedenkstein mit Gedenkweg, der an das ehemalige Lagergelände dort erinnert. Jährlich zum Tag der Befreiung am 8. Mai wird dort ein Kranz niedergelegt, Britta Kley organisiert eine Gedenkveranstaltung mit Zeitzeugen aus Polen, die den Krieg als Kinder miterlebt haben. Das alles geht ihr noch nicht weit genug: Ein richtiger Ort der Stille und ein Zeichen gegen das Vergessen soll das Gelände sein, einfacher zu finden und noch mehr eindringliche, ausführliche Informationen über das damalige Grauen liefern. Schon im nächsten Frühjahr soll es mit den ersten Maßnahmen losgehen.

Foto: Lewitz e.V.Was hat ein Neustädter Kind, das Stadtgeschichte in seiner DNA verankert hat, noch ganz weit oben auf der Wunschliste für seine Heimatstadt stehen? Eine dauerhafte städtische Ausstellung mit stadtgeschichtlicher Sammlung – ein „museales Archiv nach aktuellen Standards“ wäre ein absoluter Wunschtraum. Außerdem den Empfangsbereich zum Museum neu zu gestalten – heller, mit Museumsladen, pädagogischem Erlebnisbereich. Auch dafür gibt es schon Pläne. Und wenn es ihr gelingt, die alte Tradition des Bierbrauens in der Burg wieder aufleben zu lassen, dann können wir schon bald mit einem Burgbier darauf anstoßen.

Zeit für weitere Hobbys? Hat sie nicht. Außer für ihre drei Kinder und vier Enkelkinder. Als stolze Oma lässt sie sich das einfach nicht nehmen.

Weitere Infos und Buchung Führungen

Öffnungszeiten des Museums und der Stadtinformation in der Burg

Öffnungszeiten:

Montag, Mittwoch - Freitag von 10 bis 16 Uhr
Samstag, Sonntag von 11 bis 16 Uhr
Feiertags von 13 bis 16 Uhr

Führungen nach Anmeldung, auch außerhalb der Öffnungszeiten

Kontakt Stadtinformation:
Tel 038757 / 50064
stadtinfo@neustadt-glewe.de

Britta Kley
Verantwortliche Burg, Museum und Stadtinformation
Tel 038757 / 50065
b.kley@neustadt-glewe.de

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