Wenn es wieder röhrt – Hirschbrunft in der Waldlewitz

Röhrender Rothirsch in der Waldlewitz
07. September 2020

Zu Besuch in der Revierförsterei Bahlenhüschen

Foto: Lewitz e.V.Jährlich im September wird es laut in der Waldlewitz: Die „Könige der Wälder“ buhlen um die Gunst der Damenwelt und röhren, was das Zeug hält - gut hörbar bei abendlichen Waldspaziergängen oder Bootstouren mit dem Lewitz-Kieker. Auch für den Bahlenhüschener Revierförster André Schweitzer ist die Hirschbrunft noch immer ein besonderes Schauspiel, obwohl mit über 40 Dienstjahren schon ein „alter Hase“. „Es hat schon etwas Mystisches, wenn die Herren der Schöpfung anfangen zu „schreien“, wie es in der Fachsprache eigentlich heißt. „Zu keiner anderen Zeit im Jahr ist mehr Bewegung unter den Tieren. Die Männer, eigentlich Einzelgänger, stehen unter Dauerstrom und sind permanent damit beschäftigt, die weiblichen „Stücke“ zusammenzutreiben. Jeder will sozusagen etwas davon abhaben, dementsprechend legen sie sich mächtig ins Zeug. Sie verlieren bis zu einem Viertel ihres Körpergewichtes.“

Foto: Lewitz e.V.„Auch ich nehme dann immer drei bis fünf Kilogramm ab“, schmunzelt Schweitzer, denn er hat neben dem Revieralltag zusätzlich alle Hände voll zu tun mit der Betreuung von Jagdgästen. Schon für die mecklenburgischen Herzöge war die Lewitz ein beliebtes Jagdgebiet. Bis 1945 war sie sogar eingegattert, so dass es immer einen reichlichen Wildbestand gab. Heute ist dieser an den Lebensraum angepasst und gesundheitlich gut dabei. Das dynamische Brunftgeschehen macht den September zu einer effektiven Jagdzeit, erlegt werden dürfen aber nur bestimmte Tiere, und das geschieht unter Schweitzers Aufsicht. So ist der Förster während der Brunft täglich ab etwa fünf Uhr morgens oder abends unterwegs, um seinen Gästen zum Erfolg zu verhelfen.

Foto: Lewitz e.V.Etwas hartgesotten muss man also schon sein. Wie auch 1992, als der in der Nähe von Bad Doberan tätige Forstmann auf den Forsthof Bahlenhüschen kam. Hier war oft und gerne eingebrochen worden. Um genau dies zu verhindern, wurde ein Bewohner gesucht. Als junger Kerl hauste er drei Jahre lang in der wenig gedämmten Wohnung über seinem heutigen Büro, im Winter nachts bis zu zwei Grad kalt. Heute bewohnt er zusammen mit seiner Lebensgefährtin und Hund „Enno“ die untere Etage. Wie es sich für einen Förster gehört, ist sein Büro mit jeder Menge Geweihen, ausgestopften Tieren, historischen Fotos, Möbeln und Gerätschaften ausgestattet – ähnlich einem Spiegel der etwa hundertjährigen Geschichte des Hauses.

Foto: Lewitz e.V.Ursprünglich stammt der Forsthof Bahlenhüschen aus dem Jahr 1770, als die Gegend fast entwaldet war. Holz diente in Unmengen als Brennmaterial und zur Herstellung von Holzkohle, einerseits für die Verhüttung von Raseneisenstein in Neustadt-Glewe, andererseits für eine von 1705 bis 1719 ansässige Glashütte. Die „Bohlen-Häuschen“ der damaligen Köhler und Glasmacher waren Namensgeber für den heutigen Ort Bahlenhüschen, der aus 22 Häusern besteht. 1906 brannte das Forsthaus ab. In der Form, in der es etwa 1910 wiederaufgebaut wurde, existiert es bis heute. Erhalten sind auch noch die beiden Original-Scheunen, von denen eine für Feierlichkeiten, Dienstveranstaltungen und einen kleinen Weihnachtsmarkt zum Tannenbaumverkauf genutzt wird. Sehr lauschig gelegen an Waldrand und riesiger Wiese, ein Haus am Ende der Straße Bahlenhüschens sozusagen.

Foto: Lewitz e.V.Ein geschichtsträchtiges Fleckchen Erde also, auf dem André Schweitzer heimisch geworden ist. Von hier aus hat der Sohn eines Försters, der seinen Beruf klassischerweise in die Wiege gelegt bekam, ein Auge auf insgesamt 1.800 Hektar Wald. Zusammen mit seinen sechs Kollegen/innen, die die Reviere Domsühl, Buchholz, Friedrichsmoor, Banzkow, Voigtsdorf und Zapel betreuen, gehört er zum Forstamt Friedrichsmoor, „damals nach der Wende personell das jüngste Forstamt im Land, und in ein paar Jahren wohl auch das älteste, denn wir haben alle zusammen angefangen und werden gemeinsam alt“, lacht er. Irgendwie typisch, denn als Förster erntet man nicht gleich, was man säht, sondern es dauert Jahre, bis die Arbeit Früchte trägt. Bäume setzen nun mal nicht so schnell „Speck“ an, wie man fachmännisch dazu sagt, wenn ein Baum Holz bildet.

Foto: Lewitz e.V.Auch wenn Schweitzer in seinem Wald nicht so „rumgärtnern“ kann, wie er will, ist doch die langfristige Formung der Waldbestände, die sogenannte „Erziehung“, sein Steckenpferd. Abhängig von Standorten, Nährstoffen und ökologischen Gesichtspunkten bleibt immer noch genügend Raum für Kreativität und Gestaltung. Für ihn ist einfach spannend zu sehen, wie sich Jungbestände entwickeln. Selbst, wenn er privat im Wald unterwegs ist, hat er gerne seine Spraydose dabei, um Bäume zu markieren. Die Streuobstwiese mit alten Apfelsorten am Forsthof entsprang ebenso seiner Feder. Sie wird liebevoll betreut und genutzt vom Verein Forstscheune Bahlenhüschen, dem auch er angehört.

Foto: Lewitz e.V.Noch neun Jahre hat er bis zum Ruhestand – und so einiges vor. Viel liegt ihm daran zu klären, warum auf rätselhafte Weise so viele Erlen in seinem Revier zugrunde gehen. „Die Erle stirbt ab“, sagt er. Woran das liegt, ist noch ungeklärt. Wissenschaftler arbeiten daran, viele Ursachen sind denkbar. Bis Ende des Jahres soll eine Inventur klären, wie viele Bäume genau betroffen sind. Darüber nachgedacht, welche Gewächse die Erlen ersetzen könnten, hat er schon. Ulmen, andere Laubhölzer, selbst Sumpfzypressen könnten es sein. Womit er wieder voll in seinem Element ist, den Wald zu gestalten. Ansonsten zieht es ihn zum Angeln nach Norwegen, an den Grill, um ein Steak aus Wildfleisch zu braten, oder er bläst ins Horn und gesellt sich zum Übungsabend der Jagdhornbläser in Göhren. Außerdem engagiert er sich im Landesjagdverband. Und wenn er mal ganz tief in sich gehen will, geht er dorthin, wo buchstäblich der Hund begraben ist: an seinen Lieblingsplatz in der Waldlewitz – da, wo er die Dinge mit sich selbst ausmacht und auch seine Hunde beisetzt. Terrier Enno ist zum Glück noch weit davon entfernt.

Weitere Infos/Tipps

Foto: Lewitz e.V.An der Forstscheune Bahlenhüschen startet der Lewitz-Wanderweg "Alte Riesen II". Auf der 17 Kilometer langen Strecke durch Wald, Feld und Wiesen erfahren Sie so einiges über die damalige herzogliche Jagd, Wild und Brunft in der Hirschtanzschneise sowie die Geschichte des Bahlenhüschener Forsthofes.

Wer zwischen Banzkow und Friedrichsmoor am Störkanal entlang radelt oder wandert, kann mit etwas Glück einen Blick auf röhrenden Hirsche erhaschen. Sie zeigen sich dann und wann in den Waldschneisen, oder die majestätischen Geweihe luken aus dem Gebüsch hervor. Fernglas nicht vergessen.

Foto: Ralf Ottmann/lewitzfotograf.deEin schönes Hörerlebnis zur Hirschbrunft im September ist eine abendliche Bootstour mit dem Lewitz-Kieker ab Banzkow Richtung Waldlewitz. Geführte Touren mit unserem Lewitz-Ranger Ralf Ottmann finden am 11.09. und 20.09.2020 von 19 bis 22 Uhr statt. Am 24.09.2020 gibt es eine Sammeltour für individuelle Buchungen, Gruppen bis zu 12 Personen können eine eigene Fahrt anfragen. www.die-lewitz.de/lewitzkieker

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